Text: Martin Beet, Fotos: Martin Beet, Unbekannt
Wir sind sehr gut durchgekommen!
Wo soll ich anfangen? Am Anfang ist viel nicht so gut gelaufen. Beim Zusammenpacken habe ich mir derartig den Zeh gestoßen, dass er am Donnerstagabend im schönsten rot und blau geschillert hat. Bei einer Lockerungsrunde am Freitag hat sich ein Schlag im Hinterrad gezeigt. Als Holger Samstagmorgen sein Rad aus dem Aufbewahrungsraum schiebt, ist das Hinterrad platt. Die Wettervorhersage verschlechtert sich kontinuierlich. Freitagabend heißt es, dass pünktlich zum Start der Regen einsetzen, uns bis Dombas Schauer begleiten und bei der avisierten Ankunft in Oslo am frühen Sonntagmorgen auch wieder Reden drohen würde... Und dann?
Das beste Styrkeproven ever!
Vor dem Start
Nachdem Holger seinen Platten behoben hatte, sind wir einigermaßen angespannt zum Start, das verbliebene Gepäck wurde abgegeben. 400 Fahrer waren ja am Freitagabend ab 22 Uhr gestartet, darunter auch unser Freund Wolfgang vom MTV Bokel. Am Samstagmorgen starten die "Jedermänner" ab 6 Uhr in Gruppen zu 50, je 5min gestaffelt. Wir hatten uns für 7 Uhr eingetragen. So langsam wurde diue Anspannung "freudig". Am Start stand auch nochmal der geniale Styrkeproven-Mechaniker, der am Freitagnachmittag mit stoischer Ruhe und minimaler Anzahl von Handgriffen jede Schaltung optimal eingestellt und auch den Schlag in meinem Hinterrad innerhalb von 3 Minuten bereinigt hatte.
Dann der Start; unsere Startgruppe bestand aus einem größeren Team mit ca 25 Fahrern und etwa genausoviel unabhängigen Startern. Pünktlich fing es an zu nieseln. Das größere Team hat uns schön aus Trondheim raus und über den ersten Huckel gezogen, dann aber nach 30-40km eine Pinkelpause eingelegt. Der zwischenzeitlich stärker gewordene Regen legte sich, die Klamotten sind langsam wieder getrocknet. Aus dem Rest hat sich nach einigen Anlaufversuchen ein passabler Kreisel entwickelt, mit dem wir nochmal schön 20-30 km gekurbelt sind. Nach der ersten Pause ist die Gruppe deutlich kleiner geworden und wir sind Holger hinterhergehechelt ;-). Das Stück habe ich am anstrengensten empfunden und ich war froh, als wir am nächsten Stop angekommen waren. In Oppdalsporten haben wir dann ein großes Team vom Re Sykkelklubb (Re SK) mit auffälligen orangen Oberteilen, das im Slot vor uns gestartet war, abgepasst. Die sollten uns noch häufiger begegnen. Wie das Team vom Start waren diese unabhängig mit Begleitfahrzeug unterwegs und haben "leider" auch bald angehalten. Über den Fjell ging es dann also fast allein; irgendwann haben wir einen kernigen Forchheimer aufgegriffen (oder er uns ;-) ) und uns zu dritt nach Dombas vorgearbeitet. Zum Ende hin hatten wir ordentlich Seitenwind von vorne, aber ich habe mich ganz gut gefühlt auch wenn ich nicht immer Holgers Tempo mitgehen konnte. In Dombas haben wir eine längere (naja - lang heißt hier knapp 15min ;-) ) Pause gemacht. Ich konnte kaum glauben, wie früh und mit welcher Zeit wir dort waren und ab da war ich mir einigermaßen sicher, dass ich es schaffe.
Vor Dombas
Das Symbolbild - weite Landschaft, unglaublich gutes Wetter und Holger vorne weg!
Wir sind dann zu dritt weiter, auf einem leichteren Stück überwiegend bergab und "eigentlich" mit Rückenwind. So richtig in Tritt bin ich allerdings nicht gekommen; wir hatten mit Nicolas aus Forchheim abgemacht, erst (?) auf Höhe von Lillehammer (also in Brisi) wieder zu halten, damit hätten wir glaube ich 2 Verpflegungspunkte übersprungen... Bei einem technischen Halt ist dann eine recht bunte Truppe an uns vorbei gezogen und dann haben wir das große Blatt bemüht, um sie einzuholen. Auf die Gruppe aufgefahren hat uns der Anführer klipp und klar gemacht, dass mit ihm nicht nur gesogen wird - fair enough. Wir haben uns also in deren System eingefügt; eine Art Kreisel, bei dem auf der Lee-seite nach vorne gefahren wurde und dann je eine Minute auf der einen und dann der anderen Seite im Wind, und dann auf der Luv-Seite wieder zurück. Das hat in der Ebene und bergab super geklappt, am Berg ist das System allerdings total auseinander bzw in sich zusammen gefallen. Durchgängig haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Norweger an Steigungen seeeeehr zurückhaltend sind. Naja, diese Truppe hat dann am nächsten Halt angehalten, und der Forchheimer ist weitergedonnert (am Ende hatte er uns im Ziel gut 20min abgenommen).
Norwegischer Kreisel
Mit den Jungs (und sogar ein paar Mädels) sind wir dann bestimmt 100km weitergezogen, mit 2 kurzen Halten (in Kvam und Kvietfjelltunnet) kurz heißt kurz ! Holger ist beim 2ten Mal nicht mal zum Pinkeln gekommen, uns ich habe in der Hektik beim Auffüllen meiner Flaschen auf der einen den Deckel nicht richtig zugeschraubt. Nicht weit hinter Kvietfjelltunnet sind wir auf eine große Gruppe aufgefahren - der Re Sykkelklubb vom Anfang! Unsere und die andere Gruppe hat sich dann ineinander verzahnt. Das war über mehrere Kilometer sehr unangenehm und ungeordnet. In dieser Phase haben wir auch eine Gruppe der Norwegischen Armee auf Militärrädern überholt, die wir am späten Freitagabend noch starten sehen hatten!
Die "Orangenen" haben dann angehalten, und wir sind weiter gedonnert, aber unsere ursprüngliche Gruppe und der Tross, der den Orangenen gefolgt war, ist auseinandergefallen, und obwohl Holger und ich viel Führungsarbeit gemacht haben, hat der Chef der Gruppe die nicht richtig wieder einfangen können. Das war weinige Kilometer vor dem nächsten Verpflegungspunkt in Totenvika, und Holger und ich haben uns schnell verständigt, dass wir halten und uns dann wieder an die Orangenen hängen. Da waren es auch nur noch gut 100km! Ich habe schnell Iso-Drink und ein Pappsandwich aufgenommen und bin kurz pinkeln gegangen, als ich Holgers "MADDIN!!!" hörte - also, die Böx hoch und raus/rauf aufs Rad und dem Re SK hinterher. Dieser Abschnitt war dann vom Belag sehr schlecht; schon vorher hatte die Straße Längs- und Querrillen, aber jetzt kamen auch noch einige Schotterabschnitte dazu, und die Rillen waren noch ausgeprägter. Dazu wurde es etwas dämmrig, und bei den Abfahrten war mir dann nicht ganz so wohl.
Naja, langer Rede kurzer Ausgang, wir sind dann mit denen bis ins Ziel gerollt; dabei mussten wir zwar die letzten beiden Stopps sausen lassen, aber die Jungs waren sogar so nett und haben Holger eine Cola spendiert, als sie 50km vor Oslo ihren letzten Halt eingelegt haben (wir hatten einfach in der Nähe gewartet).
Re Sykkelklubb
Auf den letzten 50km brauchten wir tatsächlich auch unsere Lampen, und wir haben noch 2-3 Mal bei Unaufmerksamkeiten ordentlich Glück gehabt. Um viertel nach eins haben wir uns dann glücklich im Ziel in den Armen gelegen. Am Ende hat Holger mir noch großzügigerweise das allerletzte verfügbare Styrkeproven Jubiläumstop überlassen, das mir wie angegossen passt :-D.
Ich kann es auch 3 Tage danach immernoch nicht so recht glauben, aber außer ein paar Nackenschmerzen und ein nicht ganz zuzuordnender Schmerz im Schienbein geht sogar das Treppensteigen wieder gut. Was vorletztes Jahr mit einer Spinnerei mit Willi und mit der klaren Vorlage von Holger letztes Jahr im Oktober im Krankenhaus begonnen hat, war tatsächlich wahr geworden! Was bleibt? Mein Staunen über die Zeit und die Treffsicherheit, mit der Holger sie vorausgesagt hat. Viele nette Eindrücke, insbesondere von den bemerkenswerten Startern am Freitagabend. Die Bestätigung des eigenen Vermögens und das Bestreben, die Grenzen weiter zu verschieben!