London-Edinburgh-London 2017

P11106061443 km, vom Stadtrand London in Loughton im Epping Forest, bis in die Vororte von Edinburgh führt die Strecke, die mit gut 11000 Hm auch signifikanten Kletteraufwand enthält. Der Anfang ist einigermaßen wellig, dann geht es über die flachen Lincolnshire Fens. Beidseitig der Humber (Bridge) liegen wiederum Wellen (Wolds), die richtung Westen in Yorkshire mehr oder weniger kurze heftige Stiche mit Steigungen um 20% aufweisen. Hinter Barnard Castle geht es stetig das Tees-Tal hinauf bis zum kaum als solchen wahrnehmbaren Gipfel Yad Moss, mitten auf den kargen, "vom Winde verwehten" Pennines. Danach folgt die Abfahrt nach Alston, das ob des Kopfsteinpflasters auf 20% Steigung berüchtigt ist. Durch das schöne Northumberland führt die Strecke dann wellig nach Brampton, von dort flach und eher (das einzige) langweilig um die A7 herum über Gretna Green (an der schottischen Grenze, früher Ziel durchgebrannter englischer Paare) nach Moffat. Von Moffat klettert man 10km lang zum Devil's Beeftub auf 425m, danach fährt man durch ein kaum besiedeltes Tal 30km mehr oder weniger bergab, bis man auf die recht viel befahrene Zufahrtsstraße A72 nach Edinburgh kommt. Auf dem Rückweg verlässt man sehr schnell die "normalen" Straßen, es geht durch schön abgelegene Täler mit einigen Anstiegen über Innerleithen und Eskdalemuir zurück nach Brampton in England. Von dort ist der Weg bis auf die Schlussetappe identisch zum Hinweg, allerdings hat man dann den tendenziell aus südlichen Richtungen wehenden Wind von vorn.

Schon die Anmeldung für LEL war ein Abenteuer. Außerhalb Großbritanniens wurden Startplätze in 3 Chargen teilweise mitten in der Nacht freigegeben. Letztendlich machen sich 1448 Starter aus 54 Ländern am Sonntag, 31.7. ab 5 Uhr morgens alle 15 Minuten gestaffelt auf den Weg. 2 Rot-Goldene sind dabei, Stefan und Martin.

Für Stefan und mich war es sicher die aufwändigste und spannendste Fahrt bisher, eine physisch, psychisch und landschaftlich herausfordernde Achterbahnfahrt, mit Schlafentzug, Verpflegungstellen ohne Verpflegung, Speichenbruch, Platten (3), Verlust der Navigation und 100km Schlussspurt, die Ihr bei Interesse im Detailbericht nachlesen könnt.

Als erster kommt nach 63h der 57-jährige Niederländer Anco de Jong ins Ziel (1h Schlaf!). Insgesamt schaffen es 811 (Stand 12.8.) Fahrer innerhalb der vorgegebenen Zeit, hinzu kommen noch einige Zig die - zum Teil Tage später - ganz bis London zurück fahren.

Trotzdem die Beteiligten (und Helfer) in mehrer Hinsicht an ihre Grenzen gehen, gibt es allenthalben wunderbare Geschichten von Durchhaltevermögen und Freundlichkeit.
Das fängt an bei Dave, am Bahnhof in Edinburgh, der abbrechende Teilnehmer in Empfang nimmt und sie betreut, bis sie sicher samt Rad im richtigen Zug sitzen. Drew Buck unterhalb Yad Moss mit seinem Campervan und Tee und Flapjacks. Oder das Pärchen, dass an einer Kontrolle vorbeiläuft und sich verwundert nach dem Event erkundigt, um dann spontan als Helfer einzusteigen und die ganze Nacht durchzuarbeiten. Überhaupt, Helfer, überall gut gelaunt und freundlich, gehen sie mit jedem manchmal nicht so entspannten Teilnehmer um, so wie dem Mann in Barnard Castle, der solche Krämpfe hat, dass er nicht allein aufstehen kann obwohl er dringend zum Klo muss. Oder der Koch in Spalding, der für jeden einen Witz und nette Bemerkung parat hat. Oder Lee, Mechaniker in Louth, der 3 Leuten gleichzeitig hilft. Viele Fahrer, die feststellen, dass sie die Zeit nicht schaffen, bleiben an einer Kontrollstelle, um zu helfen. Radclubs in Lincolnshire schhwärmen am Donnerstag aus, um gestrandeten Fahrern Windschatten beim Weg über die Fens zu bieten. Eric Larsen aus den USA bricht sein Schaltwerk; per geklemmten Bautenzug und Kabelbindern schafft er es, immerhin die oberen 5 Gänge noch zu schalten. Einem Fahrer bricht der Kurbelarm; er wird von einem Lastwagen aufgesammelt und zum nächsten Radladen gebracht, wo sie ihm 20 Pfund für die von ihm unterstützte gemeinnützige Organisation geben und ihn innerhalb von 20min wieder auf die Reise schicken. Jessica Fawcett, die sich bei Moffat das (nicht wechselbare) Schaltauge bricht und dann als Singlespeed mit einmaliger Kettenanpassung im Zeitlimit nach London zurückfährt. Fahrer, die 200km vor dem Ziel sind, längs außerhalb des Zeilimits, fragen per Facebook, wie sie mit "Shermer's neck" zurecht kommen können (Schwäche der Nackenmuskulatur), da sie sich ansonsten gut fühlen. Am besten gefällt mir die Story von dem Teilnehmer, der mit gebrochenem Rahmen vor Innerleithen am Rand sitzt und nicht weiter kann, als mit letzter Kraft ein anderer Teilnehmer kommt, der physisch fix und alle ist. Der ausgelaugte gibt dem anderen sein Rad, damit dieser weiter fahren kann und lässt sich mit dem kaputten Rad einsammeln.
Diese Geschichten und mehr kann man in der London Edinburgh London Facebook Gruppe nachlesen und staunen...

Stefan und ich wurden total super begleitet über Whatsapp. Unseren Lieben und insbesondere Volker, Holger und Aurelia, haben bei jedem Stopp auch mitten in der Nacht angespornt, getröstet, praktisch geholfen und aufgemuntert - das war so wertvoll, vielen Dank! Vor allem aber gebührt Stefan Respekt und Dank, der trotz aller Rückschläge so weit gefahren ist wie irgend möglich, und uns am Ende wieder sicher durch halb Europa geleitet hat!